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FactSheet: CETA contra Klimaschutz

Das "Comprehensive Economic and Trade Agreement" (CETA) wurde von 2008 bis 2014 zwischen der EU-Kommission und der kanadischen Regierung unter strenger Geheimhaltung verhandelt. Vor dem Hintergrund massiver Proteste folgten von 2014 bis 2016 Nachverhandlungen zum Investitionsschutz. Nach der Unterzeichnung durch die EU und Kanada im Oktober 2016 sowie der Zustimmung des EU Parlaments trat das Abkommen im September 2017 vorläufig in Kraft.

1. Investitionsschutz hat Vorrang vor Klimaschutz

Obwohl CETA zehn Monate nach dem UN-Klimaabkommen von Paris unterzeichnet wurde, enhält es keinerlei Verweis auf die Pariser Klimaziele, geschweige denn Leitplanken zum Ausstieg aus fossilen Energien. Auch die im September 2018 nachträglich beigefügte Empfehlung des Gemischten CETA-Ausschuss, hinsichtlich der Pariser Klimaziele zusammenzuarbeiten, bleibt zahlos und ohne Sanktionsmöglichkeit.  Insgesamt zeichnet sich der Vertragstext durch das Fehlen verbindlicher Regelungen zum Umwelt- und Klimaschutz aus. In den Kapiteln zu Umwelt und Nachhaltigkeit sind lediglich freiwillig einzuhaltende Ziele sowie wie Konsultations-, Kooperations- und Anhörungsrechte formuliert, ohne dass ernsthafte Verpflichtungen und Durchsetzungsmechanismen vorgesehen sind. (Mehr dazu bei PowerShift  http://https://power-shift.de/umweltschutz-in-den-nachhaltigkeitskapiteln-der-eu-handelsabkommen/  und beim  BUND ttip_und_ceta_freihandel_oder_klimaschutz.pdf)

Im Unterschied zur unverbindlichen Behandlung von Umwelt- und Klimaschutz sind Investitionen in fossile Energien explizit geschützt und durch Klagerechte bewehrt: 

So sieht CETA einseitige Konzernklagerechte vor, die ausländischen Investoren ermöglichen, Staaten und Kommunen auf hohe Schadensersatzleistungen zu verklagen, wenn politische Entscheidungen ihre "legitimen Erwartungen" auf Gewinne schmälern.

Zwar wurde das Investitionskapitel nach massiven Protesten formal aufgebessert, so dass Investorenklagen nicht mehr vor privaten Schiedsgerichten, sondern vor einem (noch zu installierenden) "Investitionsgerichtssystem" (ICS) zu verhandeln sind. Dies ändert jedoch nichts daran, dass mit CETA eine Sonderjustiz für Investoren geschaffen wurde, die nationale Rechtssysteme umgeht. Während z.B. die Rechtsprechung deutscher Gerichte die verfassungsrechtlich verankerte Gemeinwohlverpflichtung des Eigentums beachten muss, arbeitet ein ICS auf der Basis des Investitionskapitels von CETA. Dieses gibt schwammige Rechtsbegriffe wie "gerechte und billige Behandlung" oder "indirekte Enteignung" vor. Bestimmungen, die Klimaschutzmaßnahmen von Investor-Staats-Klagen ausnehmen, gibt es bei CETA nicht. Klageberechtigt sind alle Unternehmen, die in Kanada oder Europa ansässig oder niedergelassen sind.

Weil ein Großteil der Unternehmen, die in die Förderung und Verarbeitung fossiler Energien investieren, in Kanada und der EU niedergelassen ist, wird sich nach der endgültigen Ratifizierung von CETA der ohnehin hohe Anteil der Energiewirtschaft an Verfahren gegen Staaten steigern. Gegenstand von Investitionsschutzklagen können klimapolitische Maßnahmen wie Einfuhrverbote für kanadisches Teersandöl oder Fracking-Verbote sein.

Beispiele

Einen Vorgeschmack bieten Investorenklagen auf der Grundlage des NAFTA-Abkommens (zwischen USA, Kanada und Mexiko): So verklagte 2002 das US-amerikanische Energieunternehmen Lone Pine Resource den Staat Kanada wegen eines Fracking-Moratoriums auf 250 Mio. Dollar Schadensersatz. (Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.) TransCanada, die Betreiberfirma der hochumstrittenen Keystone XL Pipeline zum Transport von Teersandöl, verklagte 2016 den Staat USA wegen Einstellung des Pipeline-Ausbaus auf 13 Milliarden Dollar Ersatzleistungen für entgangene Gewinne.

2. Handel mit klimaschädlichen Produkten

Die konkreten Handelsvereinbarungen entsprechen der nachrangigen Behandlung von Umwelt- und Klimaschutz:

  • Obwohl die EU jährlich über eine Mio. Tonnen Rind- und Schweinefleisch an Drittländer exportiert, stimmte sie dem sukzessiven Aufstocken der zollfreien Importquoten für kanadisches Rind- und Schweinefleisch von ehemals 9.711 auf 120.000 Tonnen zu. Umgekehrt kann die EU zusätzlich bis zu 16.000 Tonnen Käse zollfrei nach Kanada exportieren. In Kanada ist Fleisch aufgrund niedrigerer Tierschutzstandards erheblich billiger als in der EU, während die dortigen Milchpreise der Einkommenssicherung der Bäuer*innen dienen und höher sind als in der EU. Durch CETA kommt also ein Dumpingwettbewerb in Gang, der die Erzeugerpreise für Fleisch und Milch weiter senkt. Dies geht zu Lasten der bäuerlichen Wirtschaft und unterstützt via Preisdruck das Absenken ökologischer Standards bei der Lebensmittelindustrie.
    Einer Studie des amerikanischen Institute for Agriculture and Trade Policy von 2018 zufolge sind die fünf größten Fleisch- und Molkereikonzerne für mehr Treibhausgase verantwortlich als die Ölkonzerne EXXON, BP und Shell.

    Klonfleisch und Genfisch?

    Zwar hat die EU bei den Verhandlungen ein Importverbot für hormonbehandeltes Fleisch durchgesetzt. Doch verbinden sich mit dem gesteigerten Import kanadischer Lebensmittel andere Probleme. So ist anzunehmen, dass vermehrt genmanipulierter Fisch und Fleisch von geklonten Tieren bzw. deren Nachkommen nach Europa gelangen, ohne dass Verbrauer*innen das merken. Denn Kanada betreibt einen regen Fisch- und Fleischhandel mit den USA, wo es keine Kennzeichnungspflicht für gen- und klontechnisch manipulierte tierische Lebensmittel gibt.
    Mehr: Greenpeace: CETA bedroht ab heute EU-Lebensmittelstandards, Greenpeace: Hintergrund Klonen.pdf


  • Zu erwarten sind außerdem verstärkte Importe des CO2-intensiven kanadischen Teersandöls in die EU, für die die kanadische Regierung zusammen mit der Erdöllobby bei den CETA-Verhandlungen erfolgreich gekämpft hat. Obwohl Kanada 2016 einen Strategieplan für "sauberes" Wirschaftswachstum ("Clean Growth Economie") beschlossen hat, hält auch der derzeitige kanadische Ministerpräsident Trudeau an der Förderung des Teersandöls und dem Ausbau von Ölpipelines fest.
    Der Anteil von Teersandöl an der kanadischen Erdölproduktion beträgt 98 Prozent. Seine Förderung hat schon in der Vergangenheit zum Abholzen riesiger Urwaldflächen geführt und bedroht die dort lebende indigene Bevölkerung. Laut einer Studie des kanadischen Umweltministeriums von 2019 weisen Treibstoffe aus Teersandöl durchschnittlich 62 Prozent höhere CO2-Emissionen auf als aus konventionellem Mineralöl. (Eine ältere Studie, die die Stanford-Universität für die EU-Kommission erarbeitet hat, ermittelte einen um 23 Prozent höheren CO2-Ausstoß).

    Hintergrund

    Bei den CETA-Verhandlungen hatte die EU-Kommission auf Druck der damaligen kanadischen Harper-Regierung eine Richtlinie, die Teersandöl eine besonders schlechte Klimabilanz zugemessen hat, zurückgezogen. In der gültigen, vom EU-Parlament verabschiedeten "Treibstoffqualitätsrichtlinie" wird Teersandöl gleich bewertet wie herkömmliches Öl. Dadurch wurde der europäische Import von Teersandöl ermöglicht. Zugleich wurde ein Einfallstor für Investitionsschutzklagen der Teersand-Industrie geschaffen, die Staaten im Falle von Importverboten wegen Diskriminierung verklagen kann. An der Teersandförderung sind weltweit führende Enegiekonzerne beteiligt. Wirtschaftliches Interesse am Handel mit Teersandöl haben darüberhinaus die Betreiber von Pipelinies sowie europäische Raffinierien, die dieses Öl weiter verarbeiten. Auch sie können sich vor dem Investitionsgerichtssystem das Recht auf "gerechte und billige Behandlung" in Anspruch nehmen.

  • Mit dem Erschließen der Schiefergasvorkommen in Kanada und dem Bau der ersten Exportterminals kommt auch der Handel mit kanadischem Flüssiggas (LNG) in Schwung. Liquied Natural Gas (LNG) wird durch Fracking gewonnen und über Pipelinenetze an Exporthäfen transportiert. Es enthält als Hauptbestandteil Methangas, das laut Weltklimarat für 1/4 der Erderwärmung verantwortlich ist. Ein erstes Terminal für den LNG-Export nach Europa entsteht an der kanadischen Ostküste. Der deutsche Energiekonzern Uniper unterstützt dessen Betreiberfirma Pieridae Energy seit 2018 durch langfristige Abnahmeverträge. Siemens liefert Hochdrucksysteme zur kanadischen Erdgasverflüssigung, MAN bietet Antriebslösungen für die dortigen LNG-Fähren.
     

3. CETA gefährdet den kommunalen Klimaschutz

Im Interesse der Erweiterung des Handels mit Dienstleistungen gibt CETA weitreichende Liberalisierungsverpflichtungen für die öffentliche Daseinsvorsorge vor und verschärft den Privatisierungsdruck. Dies verengt die Handlungsspielräume von Kommunen, öffentliche Gebäude und Versorgungsbetriebe energieffizient zu bewirtschaften und eine Verkehrs- und Energiewende einzuleiten.

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Gemäß CETA dürfen Privatisierungen städtischer Versorungsbetriebe - seien es Krankenhäuser oder Verkehrsbetriebe - nicht mehr rückgängig gemacht werden. Die finanzielle Förderung nachhaltig arbeitender genossenschaftlicher oder privatrechtlich organisierter städtischer Energiebetriebe kann als wettbewerbsverzerrend geahndet werden.
Auch die öffentliche Beschaffung, der Einkauf von Waren und Dienstleistungen, wird durch CETA reglementiert. So müssen Aufträge zur Beschaffung von Bauarbeiten oder Energielieferungen schon bei niedrigen Schwellenwerten in allen Vertragsländern, auch in Kanada, ausgeschrieben und nach dem Grundsatz des niedrigsten Preises vergeben werden. Vergabekriterien, die an die Entwicklung der Region geknüpft sind, sind im Beschaffungskapitel von CETA untersagt und können juristisch angegriffen werden. Die Frage, ob ökologische Vergabekriterien zulässig sind, ist bei CETA nicht klar geregelt. Das heißt, auch der Einkauf Erneuerbarer Energien könnte von billigeren Anbietern fossiler Energien angegriffen werden. All das behindert eine nachhaltige Stadtpolitik und widerspricht dem klimapolitischen Gebot, regionale Wirtschaftskreisläufe zu fördern.

4. Mächtige wirtschaftsoffene Ausschüsse entscheiden ohne Parlamente

Als "lebendiges Abkommen" ("Living Agreement") sieht CETA ein System von Ausschüssen vor, die für die Umsetzung und Auslegung des Abkommmens zuständig sind. Sie können ohne parlamentarische Rückbindung Beschlüsse fassen, die für Kanada und die EU-Staaten völkerrechtlich bindend sind. 
vgl. dazu http://www.heise.de/-4485175

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Oberstes Gremium ist der Gemischte CETA-Ausschuss, der sich aus Vertretern der EU und Kanadas zusammensetzt. Er kann ohne parlamentarische Beteiligung Vertragsteile (Anlagen, Protokolle etc.) nachträglich ändern und zu allen Themenbereichen des Abkommens völkerrechtlich bindende Beschlüsse erlassen. Dem Gemischten CETA-Ausschuss arbeiten Unterausschüsse (zu Arbeit und Handel, Investitionsschutz, Landwirtschaft u.a.m.) zu. Auch sie können zu bestimmten Bereichen wie Investitionsschutz und Finanzdienstleistungen verbindliche Entscheidungen fällen. (Gegenwärtig überprüft das Bundesverfassungsgericht noch, ob die weitreichende Entscheidungskompetenz dieser Ausschüsse mit der deutschen Verfassung vereinbar ist.)

Des Weiteren wurde ein "Regulatorisches Forum" eingerichtet, in dem neben der EU-Kommission und der kanadischen Regierung auch Lobbygruppen vertreten sind. Aufgaben des Forums sind, nationale Gesetzesinitiativen "frühzeitig" auf ihre Vereinbarkeit mit den Vertragsbestimmungen zu überprüfen und den Abbau sog. "nichttarifärer Handelshemmnisse" voranzutreiben. Damit existiert eine Art Schattenkabinett, das den Einfluss von Konzernen auf die nationale Gesetzgebung und gesetzliche Schutzstandards institutionalisiert. So verbergen sich hinter dem Terminus "nichttarifäre Handelshemmnisse" neben anzugleichenden technischen Normen auch unterschiedliche soziale, ökologische oder lebensmittelrechtliche Rechtsstandards, die zum Zweck des ungehinderten Handels entweder durch "Harmonisierung" oder durch gegenseitige Anerkennung zu beseitigen sind. Zum Beispiel sind gentechnisch manipulierter Lebensmittel in Kanada gang und gäbe, während sie in der EU verboten sind. Eine "Harmonisierung" unter dem Einfluss von Lobbygruppen birgt die Gefahr, dass Schutzstandards wie die Kennzeichnungspflicht gentechnisch veränderter Lebensmittel gesenkt werden. Die gegenseitige Anerkennung unterschiedlicher Standards hat zur Folge, dass sich niedrigere Standards durch niedrigere Preise durchsetzen. Bereits jetzt lobbyiert der deutsche Bauernverband gemeinsam mit der Lebensmittelindustrie gegen das europäische Gentechnikverbot, um international wettbewerbsfähig zu sein.

Noch kann CETA gestoppt werden!

Weil das Abkommen von allen EU-Mitgliedsstaaten unterzeichnet werden muss, kann die endgültige Ratifizierung in Bundestag und Bundesrat verhindert werden. Im Bundesrat sind 35 JA-Stimmen nötig, um CETA zu ratifizieren. Wenn die Landesregierungen mit grüner und linker Regierungsbeteiligung mit NEIN oder einer Enthaltung stimmen, ist CETA vom Tisch. Beide Parteien - B´90/Die Grünen und Die Linke - sprechen sich auf Bundesebene gegen CETA aus. Leider fühlen sich nicht alle grünen Landesverbände an ihre früheren Versprechen gebunden. Die hessischen Grünen haben in den Koalitionsverhandlungen mit der CDU entschieden, CETA durch den Bundesrat zu winken . Die Grünen in Baden-Württemberg und Hamburg halten sich zu CETA bedeckt.

Auch die SPD und die Freien Wähler in Bayern sind aufgerufen, sich gegen die Ratifizierung von CETA zu engagieren. 

Konzernklagen gegen Staaten

Drei Fallbeispiele 

https://www.youtube.com/watch?v=Ro4zEuVDYkY